Der selige Paisios, der Agiorit
Mit Beschluss der ständigen Synode des Ökumenischen Patriarchats in Konstantinopel wurde am Dienstag, 13. Januar 2015, der Mönch Paisios der Agiorit in den Heiligenkalender der Orthodoxen Kirche eingetragen. Die Freude ist groß, denn der neue Heilige der Kirche ist vielen Menschen persönlich bekannt, hat vielen Gläubigen geholfen, ist wegweisend in seinen Schriften. Wer ihm begegnen durfte, erlebte reine Liebe und absolute Demut, einen Gottes- und Menschenfreund.
Gerontas Paisios stammt aus Kleinasien, wo er am 25.7.1924 im Dorf Phásara als siebtes von 10 Kinder der Prodromos und Evlogia Eznepidis (d.h. türkisch Ausländer) geboren wurde. Der Pfarrer des Ortes war der heilige Arsenios der Kappadokier (1841-1920), der bei der Taufe statt Christos seinen eigenen Namen dem kleinen Säugling gab. Nur wenige Tage wurde die griechische Enklave vertrieben und ausgesiedelt. Über Kerkyra und Igoumenitsa zog die Familie nach Kónitsa im Epiros. Der kleine Arsenios fiel schon früh durch sein Interesse am Lesen des Evangeliums und von Heiligengeschichten auf, er sonderte sich ab und versuchte das Gelesene nachzuahmen und asketisch zu leben. Später erlernte er die Holzschnitzerei, die er auch auf dem Athos ausübte. Im Alter von 21 Jahren wurde er 1945 zum Militärdienst eingezogen und als Funker im Bürgerkrieg gegen die kommunistischen Partisanen eingesetzt. Immer wieder benutzte er Begriffe und Bilder aus der Funkersprache, um das Verhältnis des Menschen zu Gott zu erklären.
Anschließend versuchte er 1949, auf dem Heiligen Berg Athos einen geistlichen Vater zu finden und begann 1950 im Kloster Esphigmenou das gemeinschaftliche monastische Leben. Sowohl sein asketischer Eifer wie auch seine Gnadengaben zeigten sich schon sehr früh. Eine Frucht seiner intensiven Lektüre geistlicher Schriften ist ein handschriftliches Heft, in dem der Selige wichtige geistliche Texte zusammengetragen hat. Dieses Heft wurde von Erzpriester Georgios Manos, Pfarrer der griechisch-orthodoxen Gemeinde in Hamburg, mit dem griechischen Titel „Texte der Reue und Beichte“ 2009 publiziert. 1954 wurde der Dokimos Arsenios im Alter von 30 Jahren zum Rason-Mönch Averkios geschoren.
Seit seinem ersten Athosbesuch folgte er dem Rat von Papa-Kyrillos in der Skiti Panteleimos unterhalb von Koutloumousiou, der später Abt des Klosters wurde. Dieser riet ihm nach seiner ersten Tonsur ins idiorhythmische Kloster Philotheou zu wechseln, welches mitten auf der Halbinsel abseits jeder Strassen und Schiffshäfen gelegen ist. Dort wurde er 1957 zum Mönch Paisios geschoren und erhielt das kleine S’chima. Vorher erkrankte er schwer und musste seine Lungen außerhalb des Heiligen Berges in Konitsa kurieren. Die Verbindung in die Heimat seiner Jugend blieb bestehen, und 1958 kehrte er wieder dorthin zurück, um das verbrannte Gottesmutterkloster Stomion aufzubauen und der protestantischen Mission unter den Flüchtlingen entgegenzuwirken. In dieser Zeit hob er auch die Reliquien des heiligen Arsenios, seines Taufpriesters, dessen Name er als Kind getragen hatte, aus dessen Grab. Später übergab er sie dem von ihm gegründeten Frauenkloster in Souroti. Außerdem schrieb er die Lebensgeschichte des Heiligen nieder.
1962 siedelte er ins Katerinenkloster am Berg Sinai in Ägypten und bezog eine Einsiedelei nördlich-östlich des Klosters gegenüber der Treppe zum Mosesberg mit einem einmaligen Blick auf beide Bergspitzen, der 10 Gebote und des Ortes, an dem die Gebeine der heiligen Katerina von den Engeln niedergelegt waren. Erzbischof Damianos war bereits damals im Kloster und in geistlicher Freundschaft dem seligen Paisios verbunden. Auch Tarfa, einen Ort auf dem halben Weg zwischen dem Kloster und Faran, der eine Einsiedelei für Nonnen geworden ist, hat der Heilige ausgesucht.
Da das Leben in der Felswüste des Sinai klimatisch hart ist, musste der selige Paisios 1964 seine Einsiedelei auf der Felswand der heiligen Galaktion und Epistimi wieder verlassen und ließ sich in der athonitischen Skiti des Klosters Iwiron nieder, stellte sich aber unter die geistliche Führung des russischen Priestermönchs Papa-Tychon im Kelli des Ehrwürdigen Kreuzes oberhalb von Stavronikita. Über diesen Gerontas, der ihn am 11.1.1966 des Großen S’chimas würdigte, hat der seligen Paisios später in seinem Buch über Athonitische Väter geschrieben. Damals wurde sein nicht auskuriertes Lungenleiden immer schlimmer, und schließlich verlor er bei einer Operation über die Hälfte seiner Lungen. Im folgenden Jahr wechselte er in den Erimos des Athos, die asketische Felsengegend am Athosmassiv in Katounakia, um sich im Kelli des Hypatios abgeschieden von allen Menschen ganz dem Gebet zu widmen. Er blieb aber nur ein Jahr, da er sein Versprechen einlösen wollte, dem späteren Abt Basileios von Stavronikita und Iwiron, den er aus der Skite Iwiron kannte, beim Aufbau des heruntergekommenen kleinen Athosklosters Stavronikita als Koinobion nach Kräften zu helfen. Dort konnte er auch in der Nähe seines geistlichen Vaters Tychon (1884-1968) leben, dessen Kelli er erben durfte. In diesem Kelli begann der Strom der Pilger und Hilfesuchenden, der sich fortsetzte und noch intensivierte, als der 1979 ins Kelli Panagouda wechselte.
Für viele Menschen wurde er Wegweiser, aber auch Fürbitter und auch Wundertäter. Wenn im Gottesdienst gesagt wird: „Auf die Gebete unserer heiligen Väter …“ so können viele Menschen bezeugen, dass sie aufgrund der Gebete des seligen Vaters Paisios lebten und geistliche Fortschritte machten. Vor allem aber seine Menschliebe, Freundlichkeit aber auch Direktheit in der Anrede und im Urteil zogen die Menschen an und halfen ihnen zur Selbsterkenntnis und zur Rückkehr auf den gottgewollten Weg.
Auch die drei Klöster auf der Chalkidiki lebten von seiner Führung und Wegweisung, aber auch seinen Gebeten: die beiden Frauenklöster des hl. Evangelisten Johannes, des Theologen in Souroti und des hl. Vorläufers Johannes in Metamorphosi sowie das Männerkloster des hl. Arsenios, dessen Ort in der Gemarkung Batopaidi in der Nachbarschaft von Ormilia der selige Gerontas selbst ausgewählt hat. Glücklicherweise können wir heute viele seiner Weisungen in den gesammelten Schriften nachlesen und auf uns selbst beziehen.
Sein durch Askese, schwere Arbeit, strenges Fasten und Gebet, aber auch Krankheiten geschwächter Leib erkrankte schließlich so schwer, dass er den Athos verlassen musste. Nach einer halbjährigen Leidenszeit mit Krebs, Operationen und Therapien starb er am 12. Juli 1994 im Alter von 70 Jahren im von ihm gegründeten Kloster in Souroti, in dem er auch bestattet wurde. Nun ist seine von zahllosen Pilgern täglich besuchte Ruhestätte das Grab eines Heiligen unserer Orthodoxen Kirche, auf dessen Fürsprache wir Gläubigen leben und Gott sich unser erbarmen möge.
Von π. Martinos Petzolt