Athonikos Melisson
Bei der Fülle von sich einander ähnelnden Athosbüchern mag man schon gar nicht mehr genau hinsehen, wenn wieder eines auf den Markt geschwemmt wird. Umso bemerkenswerter ist das soeben erschienene Buch, das so still und unauffällig daherkommt, als sei es ein alter Ladenhüter. Tatsächlich bringt es nur grobgerasterte in den Text hinein gedruckte Schwarzweißbilder, viele davon historische Dokumente, und hat ein Thema, von dem man glauben könnte, man wüsste darüber längst alles. Aber tatsächlich hat der Mönchspriester Prodromos ein Gebiet gefunden, über das noch überhaupt nicht systematisch gearbeitet worden ist. So liest sich das Buch tatsächlich als ein Lexikon aller klösterlichen Dienste, die eine große Klostergemeinschaft zu verteilen hat, liturgische, administrative und handwerkliche. Zusammen mit den historischen Photos ist somit ein Archiv aller Dienste und Berufe geworden, die sich in Jahrhunderten byzantinischer Ordnung entwickelt und erhalten haben. Etwa 300 Dienste werden aufgelistet und erklärt, darunter manche fast vergessene Tätigkeiten, byzantinische Titel, osmanische Bezeichnungen und Lehnwörter, die in keinem Wörterbuch zu finden und erklärt sind.
Jährlich werden nach Theophania alle Dienste im Kloster und auch die Helfer und Stellvertreter neu verteilt und bestimmt, von demjenigen, der abends die Petroliumlampen anzündet über den Koch, den Bäcker, den Schreiner, den Sakristan, Archivar und Bibliothekar bis zum Sekretär des Klostervorstehers, dem Chauffeur oder dem Bootsmönch. Auch wenn verständlicherweise auf spezielle Talente Rücksicht genommen wird, so können doch prinzipiell alle Dienste rotieren, niemand ist unersetzlich und jeder kann auch einmal von besonders anstrengenden Diensten ein Jahr lang pausieren. Es kann auch eine Form der Askese für die Mönchsgemeinschaft sein, ein Jahr lang einen schlechten Koch zu überleben.
Zweifellos könnte man sich manche Erklärungen ausführlicher und detailreicher vorstellen, aber angesichts der Fülle der Begriffe und Tätigkeiten war wohl eine gewisse Beschränkung und Disziplin notwendig. Trotzdem finden sich immer wieder kleine Exkurse, etwa die Erklärung der „Tränen der Gottesmutter“ im Kapitel über den Kombos’chiniknüpfer, zum Teil auch aus alten und raren Publikationen.
Nach dem Geleitwort des Klostervorstehers Elisaios von Simonopetra beschäftigt sich der erste Teil generell mit dem Thema des monastischen Dienstes und der Kooperation, der zweite Teil beschreibt die administrativen Ordnungen der Klöster, die liturgischen Ämter, die Gemeinschaftsdienste im und außerhalb des Klosters, auch die Gesundheitssorge und Bildung, der dritte und umfangreichste Teil hat die zahlreichen Handwerke vom Ikonenmaler bis zum Maurer zum Inhalt und schließlich schließt der vierte Teil mit dem Register aller Dienste, zwar in der Reihenfolge des Vorkommens aber leider ohne Seitenangaben, dem Nachwort und den Literaturverweisen ab.
Priestermönch Prodromos hat eine wertvolle Arbeit geleistet, die gar nicht genug gewürdigt werden kann. Wer sich mit dem Athos beschäftigt, wen die athonitische Geschichte interessiert und wer historische Dokumente sammelt, braucht dieses Buch unbedingt.
p. Martinos
Ieromonachos Prodromos, Athonikos Melisson. Die klösterlichen Dienste, Handwerke und Werkstätten auf dem Heiligen Berg (griech.). Herausgeber: Das simonopetrinische Kelli „Verkündigung an die Gottesmutter“, Karyes Heiliger Berg 2012, 23,5 x 17 cm, 288 S., zahlreiche s/w-Abb., ISBN 978-960-93-3867-7; ca. 16 Euro.
Athonikos Melisson